Max Cramer

Gegenwart im blauen Schein

Literarische Begegnungen in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Das blaue Licht der Kirche, gespickt mit den bunten Farbtupfen, lädt dazu ein, in diesen Raum einzutauchen. In unserer neuen Reihe füllen Impulse aus der Gegenwartsliteratur den Raum, der sich der Transzendenz öffnet. Literatur schafft auf ihre eigene Weise Zugänge zum Leben und zum Glauben. Mit ihrer Sprachkraft eröffnet sie einen weiteren Blick auf die Gegenwart.

An den Abenden lesen bekannte Autor:innen der Gegenwart aus ihrem Werk. Im Gespräch mit dem Litreraturkritiker Denis Scheck geht es dann um gegenwärtige Lebens- und Sinnfragen.

Literaturagentin Karin Graf kuratiert diese neue Reihe in Zusammenarbeit mit Gedächtniskirchenpfarrerin Dr. Sarah-Magdalena Kingreen.

Vorschau

Vom Entstehen und Verlieren einer Liebe I Jenny Erpenbeck im Gespräch mit Denis Scheck

4. Juni 2025,  19.00 Uhr

 

Jenny Erpenbeck ist weltweit berühmt für die Verquickung von Persönlichem und Politischem, von Identität und Geschichte.

„Kairos“ ist die intime traurige Geschichte über den Weg zweier Liebender durch ihre zerbrechende Beziehung vor dem Hintergrund des Zerfalls der DDR zwischen 1986 und 1990. Nach einer plötzlichen und intensiven Anziehung zwischen Katharina und dem viel älteren Hans, dem Ausleben gemeinsamer Leidenschaften, geschärft durch Geheimhaltung, wird der verheiratete Liebende zunehmend grausam und machtlüstern, will nur noch Lehrer und Meister sein. Am Ende wird angedeutet, dass in unserer verbrauchten, ja erschöpften Welt auch außerhalb einer zerstörerischen Beziehung kaum emotionale Erfüllung möglich ist.

In „Gehen, Ging, Gegangen“ folgt die „herausragende literarische Seherin“ Jenny Erpenbeck einem verwitweten frisch pensionierten Akademiker, der zu Beginn noch ganz in seiner bürgerlichen Routine„mein Haus, mein Garten, mein Boot“ verharrt, wobei er letzteres zur Zeit nicht benutzt, weil die Leiche eines Ertrunkenen im See nicht wieder auftaucht: Metapher für die unsichere Existenz der Asylanten, die im Bann unserer Bürokratie verharren müssen: Sie dürfen nicht bleiben, nicht arbeiten, ihren Lebensunterhalt nicht verdienen. Erst beim Betrachten der Nachrichten fallen Richard die Asylsuchenden im Hungerstreik auf, an denen er täglich am Alexanderplatz vorbeiläuft. Der Roman darüber wird nie polemisch oder belehrend, sondern erzählt eine sehr menschliche Geschichte von einem einsamen isolierten Mann, der langsam durch seine Begegnungen mit den Migranten entdeckt, dass um ihn herum eine größere, weitere, pulsierende Welt ist. Auch hier ist der scheinbar konventionelle Ton der zutiefst humanistischen Autorin so tief wie reich, beunruhigend und dabei sachlich, düster und schön, allegorisch.

Denis Scheck unterhält sich mit Jenny Erpenbeck über Wahrheit und Liebe, ihr Werk, die jüngere deutsche Geschichte und die Bedeutung von „Kairos“ für uns.

Tickets 15 / 10 Euro über diesen Link

 

Foto von Jenny Erpenbeck @Katharina Behling

"Das Ich und das Wir" John von Düffel im Gespräch mit Denis Scheck

Samstag, 30. November 2024, 19:30 Uhr

Wie lebe ich richtig? Darüber denkt man für sich alleine nach, im stillen Kämmerlein, auf einer einsamen Wanderung. John von Düffel nimmt uns in „Das Wenige und das Wesentliche“ mit auf diese Gedankengänge und erweitert sie in „Ich möchte lieber nichts“ um eine Geschichte über Konsumverzicht, Angst vor Veränderung, Mut zur Abweichung.

John von Düffel liest aus beiden Büchern und tauscht sich mit Denis Scheck aus über die in den Büchern aufgeworfenen zentralen Fragen. Der Dialog mit dem Publikum ist erwünscht.

John von Düffel wurde 1966 in Göttingen geboren, er arbeitet als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin und ist Professor für Szenisches Schreiben an der Berliner Uni-versität der Künste. Seit 1998 veröffentlicht er Romane, Erzählungsbände sowie essayistische Texte bei DuMont, u. a. ›Vom Wasser‹ (1998), ›Houwelandt‹ (2004), ›Wassererzählungen‹ (2014), ›Klassenbuch‹ (2017), ›Der brennende See‹ (2020), ›Wasser und andere Welten‹ (Neuausgabe 2021) und zuletzt ›Die Wütenden und die Schuldigen‹ (2021). Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem aspekte-Literaturpreis und dem Nicolas-Born-Preis.

Denis Scheck, geboren 1964 in Stuttgart, lebt in Köln. Studium der Germanistik, Zeitgeschichte und Politikwissenschaft in Tübingen, Düsseldorf und Dallas. Arbeitete als literarischer Agent, Radioredakteur, Übersetzer und Herausgeber (u.a. von Michael Chabon, Robert Stone, Harold Brodkey, Ruth Rendell, David Foster Wallace). Seit 2003 Moderator des ARD-Literaturmagazins Druckfrisch. Auszeichnungen u.a. : Julius-Campe-Preis, Champagner-Preis für Lebensfreude, Hildegard-von-Bingen-Preis, Bayerischer Fernsehpreis, Sonderpreis zum Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis, Deutscher Fernsehpreis, Kritikerpreis des deutschen Anglistentages 2000. Autor diverser Sachbücher, zuletzt „Schecks Kanon“, „Schecks kulinarischer Kompass“ und „Schecks Bestsellerbibel“ bei Piper.