Mittwoch, 4. Juni 2025, 19.00 Uhr
Jenny Erpenbeck ist weltweit berühmt für die Verquickung von Persönlichem und Politischem, von Identität und Geschichte.
„Kairos“ ist die intime traurige Geschichte über den Weg zweier Liebender durch ihre zerbrechende Beziehung vor dem Hintergrund des Zerfalls der DDR zwischen 1986 und 1990. Nach einer plötzlichen und intensiven Anziehung zwischen Katharina und dem viel älteren Hans, dem Ausleben gemeinsamer Leidenschaften, geschärft durch Geheimhaltung, wird der verheiratete Liebende zunehmend grausam und machtlüstern, will nur noch Lehrer und Meister sein. Am Ende wird angedeutet, dass in unserer verbrauchten, ja erschöpften Welt auch außerhalb einer zerstörerischen Beziehung kaum emotionale Erfüllung möglich ist.
In „Gehen, Ging, Gegangen“ folgt die „herausragende literarische Seherin“ Jenny Erpenbeck einem verwitweten, frisch pensionierten Akademiker, der zu Beginn noch ganz in seiner bürgerlichen Routine„mein Haus, mein Garten, mein Boot“ verharrt, wobei er letzteres zur Zeit nicht benutzt, weil die Leiche eines Ertrunkenen im See nicht wieder auftaucht: Metapher für die unsichere Existenz der Asylanten, die im Bann unserer Bürokratie verharren müssen: Sie dürfen nicht bleiben, nicht arbeiten, ihren Lebensunterhalt nicht verdienen. Erst beim Betrachten der Nachrichten fallen Richard die Asylsuchenden im Hungerstreik auf, an denen er täglich am Alexanderplatz vorbeiläuft. Der Roman darüber wird nie polemisch oder belehrend, sondern erzählt eine sehr menschliche Geschichte von einem einsamen, isolierten Mann, der langsam durch seine Begegnungen mit den Migranten entdeckt, dass um ihn herum eine größere, weitere, pulsierende Welt ist. Auch hier ist der scheinbar konventionelle Ton der zutiefst humanistischen Autorin so tief wie reich, beunruhigend und dabei sachlich, düster und schön, allegorisch.
Denis Scheck unterhält sich mit Jenny Erpenbeck über Wahrheit und Liebe, ihr Werk, die jüngere deutsche Geschichte und die Bedeutung von „Kairos“ für uns.
Tickets 15 / 10 Euro
(Einzelne Tickets können auch über die Abendkasse vor Ort erworben werden)
Jenny Erpenbeck, geboren 1967 in Ost-Berlin, debütierte 1999 mit der Novelle „Geschichte vom alten Kind“. Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen, darunter Romane, Erzählungen und Theaterstücke. Von Publikum und Kritik gleichermaßen gefeiert, wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Thomas-Mann-Preis, dem Uwe-Johnson-Preis, dem Hans-Fallada-Preis und dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Jüngst wurde sie in Berlin mit dem „B.Z.“-Kulturpreis geehrt. Auch international gilt Erpenbeck als wichtige literarische Gegenwartsautorin. So wurde sie u.a. mit dem britischen Independent Foreign Fiction Prize (inzwischen bekannt als International Booker Prize) und dem italienischen Premio Strega Europeo geehrt. Ihr Roman „Heimsuchung“ wird vom Guardian auf der Liste der „100 Best Books of the 21st Century“ geführt. Die amerikanische Übersetzung ihres jüngsten Romans „Kairos“ war in den USA für den National Book Award nominiert und wurde 2024 mit dem International Booker Prize ausgezeichnet. Erpenbecks Werk erscheint in über 30 Sprachen.