Gerald Zabel
Glockenstube mit Blick Richtung Glockenstuhl

Der Glockenturm

Überraschungsreich und gefährdet

Mila Hacke
Außenansicht des Glockenturms mit einem schmalen Ausschnitt der Turmruine dahinter

Der im südöstlichen Bereich des Gebäudeensembles gelegene, von Egon Eiermann entworfene Glockenturm wurde wie die Kirche zwischen 1959 und 1961 erbaut. Als höchster Eiermann-Bau des Ensembles ordnet er sich mit seinen 53,3 m der 71 m hohen Turmruine unter. Die Konstruktion und die Baumaterialien sind von außen ablesbar bzw. sichtbar. Auf einem sechseckigen Grundriss mit einem Durchmesser von 12 m erheben sich die Wände aus verglasten, quadratischen Betonwabenfeldern, die in ein Stahlskellet eingesetzt sind. Ein breites horizontales Band aus Stahl markiert die Höhe der Glockenstube. Auf dem flachen Dach erhebt sich ein 1,80 m hohes vergoldetes Kreuz auf einer 5,30 m langen Stange, die unterhalb des Kreuzes noch eine facettenartige vergoldete Kugel trägt. Der Blick von außen lässt kaum erahnen, dass im Inneren eine Reihe von außergewöhnlichen (raum)ästhetischen Eindrücken zustande kommt.

Gerald Zabel
Innenansicht des Glockenturms mit Blick auf die Treppenröhre, das Stahlskelett
und die blaue Betonglaswand

In der Mitte des Turminneren steht eine Stahlröhre, in der eine Wendeltreppe zur Glockenstube hinaufführt. Durch ein System aus langen, schräg verlaufenden Stahlstäben ist die Treppenröhre mit dem Stahlskelett der Wand verkoppelt. Anders als die Kirche ist der Glockenturm einwandig. Die Betonwaben der Wand sind mit Fenstern ausgestattet, die vom Glaskünstler Gabriel Loire aus dem französischen Chartres gestaltet wurden und auf gleichen Gestaltungsprinzipien wie die Fenster der Kirche beruhen.

Gerald Zabel
Detailansicht des Glockenturms mit Blick auf die blaue Betonglaswand

Die Fenster sind jeweils 35,7 x 34,7 cm groß und bestehen aus farbigen, mit Beton verfugten Stücken aus Dickglas. Tiefblau ist der prägende Farbton, ergänzt durch gelbe, rote oder grüne Einsprengsel. Die Gestaltung ist rein abstrakt. Durch die kaum erschöpfliche Vielfalt an Farb- und Formvariationen sind auch hier alle Fenster individuell gestaltet. Im Glockenturm sind es insgesamt 5.152 Dickglasfenster, die fast 32 Tonnen wiegen. Die Wände werden bei Dunkelheit mit LED-Lampen von innen beleuchtet und strahlen mit ihrem "mystischen" blauen Licht in den Stadtraum hinein.

Gerald Zabel
Innenansicht der Glockenstube mit Blick auf die sechs Glocken,
im Hintergrund die blaue Glaswand mit Schallöffnungen

Die Glockenstube beherbergt den Glockenstuhl mit sechs Glocken aus Bronze, die 1960 in der traditionsreichen Glockengießerei Rincker im hessischen Sinn gegossen wurden. Die Glocken wiegen jeweils zwischen 1.400 und 5.600 kg, insgesamt 17 Tonnen. Jede Glocke ist mit einer Inschrift aus der Bibel - dem Alten wie auch dem Neuen Testament - versehen. Die kleinste Glocke trägt beispielsweise eine Friedensbotschaft des Paulus: „Seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.“ (Eph 4,3). Die umliegende Wand weist eine Besonderheit der Glockenstube auf: die zahlreichen Schallöffnungen in den Stegschnittpunkten der Betonwaben sowie horizontal und vertikal zwischen den Dickglasfenstern, die nach allen Seiten der Glockenstube angeordnet sind. Die über 4.700 Öffnungen sorgen dafür, dass das Glockengeläut draußen gut hörbar ist.

Max Cramer
Detailansicht eines Betonglasfeldes der Glockenstube mit
25 einzelnen Betonglasfenstern und zahlreichen Schallöffnungen

Der Glockenturm ist sanierungsbedürftig. In den Armierungsdrähten, die zur Stabilisierung in die Betonwaben und die Betonglasfenster eingearbeitet sind, setzt ein Korrosionsprozess ein, der eine schleichende Zersetzung der Wandelemente zur Folge hat. Auch das leuchtende Blau und die anderen Farben des Glases sind in akuter Gefahr. Erfahren Sie mehr über die aktuelle Rettungskampagne und die Beteiligungsmöglichkeiten.